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Auto(rin)biografisch

- Wir gehen von Erfundenem aus -

 

In deinem Buch sucht ein junges Mädchen ihre wahre Liebe. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie viel Autobiographisches enthält das Buch? 

Diese Frage stellt mir fast jeder Journalist. (lacht) Grundsätzlich steckt wohl immer etwas vom Autor auch im Buch, aber Raffi bin definitiv nicht ich, die Geschichte ist rein fiktional. 

(Interview von D. Theler)

 

( … ) die Geschichte ist rein fiktional. Eine glatte Lüge. Aber die Wahrheit hätte mehr Worte gebraucht.

2014 veröffentliche ich das erste Mal einer meiner Romane mit einem Verlag. Ich hatte das Gefühl mit 25 bereit zu sein, was dabei alles auf mich zukommen würde. Aber viele Aspekte des Autorenlebens verstand ich erst, als ich sie durchlebt hatte. Sechs Jahre später weiss ich nun, dass eine Veröffentlichung viel Energie und eine grosse Distanz zum Text braucht. Etwas, das ich erst Jahre später bei meiner dritten Veröffentlichung lernte. Leyla war mir noch viel zu nah, als dann plötzlich alle mit mir über sie und ihre Geschichte sprechen wollten. Ich konnte nicht. Ich war in Trauer. (Darauf gehe ich nicht tiefer ein, das würde eigene Seiten füllen) Und dass obwohl die Geschichte von ihr und Dero nichts mit meiner Realität zutun hatte. Sie war rein fiktional. Aber bei jeder Veröffentlichung, bei jedem Interview ist es genau das, was alle anscheinend interessiert. Und dafür war ich, zwei Jahre zuvor, bei „Die andern nennen mich Schlampe“ nicht gewappnet.

Diese scheiss Frage, ob mein Buch autobiographisch war, nervte mich. Aus einem Grund. Weil die Wahrheit kompliziert war. Aber Raffi mit mir zu vergleichen - als Person - wäre ein grober Fehler gewesen. Mich haben die Lehrer nämlich gemocht. Unsere Kindheit war so verschieden, dass wir mit ganz anderen Prägungen im späteren Leben umgehen mussten. Und schliesslich nahm ich mein Glück in die eigene Hand, während sie es in Felix’ Herzen fand. Einen Timo hatte ich nie. Ein Oliver wäre ein Glücksfall gewesen. Michel war meine Illusion, als ich in Paris war. Doch ich habe dort gelebt und nicht meine Freundin. Klar, habe ich eine Deutschlandreise mit meinem damaligen Freund gemacht, aber er und Chris könnten unterschiedlicher nicht sein. Und Marius? Ja, das wäre mein Traum gewesen, wenn es mit meiner ersten Liebe genauso gelaufen wäre. Dass wir nochmals zusammen kamen, als ich durch den Regen hüpfte, war auch bloss eine Widmung an diese wundervolle Erinnerung. Wie auch die tolle Geschichte mit dem realen Martin, dem ich Jahre nach der Veröffentlichung nochmals über den Weg lief und ihm als Dank ein Exemplar geschenkt hatte. Der Fakt, dass diese Erinnerung für die Ewigkeit festgehalten wurde, berührte ihn und schenkte mir die Erkenntnis, dass das Veröffentlichen solcher autobiografischen Elemente wunderschöne Seiten haben konnte. Das Festhalten und gleichzeitig Loslassen dieser liebevollen Momente durchs Schreiben. Besonders denke ich dabei an Carlos. Eine Figur, die durch einen realen Menschen und meine Texte an und über ihn überhaupt zu Raffi’s Geschichte führte. Dem ich schliesslich auch das Buch gewidmet habe.

 

( … ) Er war mein ,little get away‘, seine Arme waren ein Ort, an dem ich mich verstecken konnte, vor meinem Leben und der Welt. Wir bauten uns unserer eigene Welt. Und diese Welt aufzugeben, war ich lange nicht bereit. Viel zu lange, wenn ich es jetzt bedenke. Ich liess keinen an mich heran, ausser ihn. (… ) 

Irgendwann würde der Tag kommen, an dem wir nicht weiter gehen konnten. Doch es war mir egal. Ich lag hier mit dem schönsten, intelligentesten Mann an meiner Seite und es gab keinen Grund mehr aufzustehen. Ich schmiegte mich an ihn. Und fühlte zum tausendsten Mal seinen Herzschlag. ( … ) ich würde solange bleiben, bis er mich rausschmiss. Aus seiner Wohnung und irgendwann aus seinem Leben.“

 

Ich schreibe nicht autobiografisch. Ich arbeite mit Figuren, die aus Fiktion entstehen, die sich mir eröffnen und mich als Medium für ihre Geschichte nutzen. Sie sind nicht real, aber kämpfen sich in die Tiefen meines Herzens. Und das ist mein wichtigstes Credo. Zu schreiben, was von Herzen kommt. Ich liebe meine Geschichten, die realen und die fiktionalen. Aber die Vermischung ist meist(!) nicht gewollt und sicher nicht so spannend wie die danach Fragenden sich das vorstellen. Lest nun noch mal den zweiten Satz dieses Abschnitts; verrückt, nicht? Wären Folgefragen dazu nicht viel spannender?