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Oh, liebste Musik

- Millionen Träume werden in 3:04 wahr. - 

 

Dieser Tag begann mit meiner Realität. Ich war erkältet. Bekam meine Periode. Es war Vollmond. Die Arbeit macht mich müde. Mein Körper war geschwächt. Es war ein Samstagabend und ich war allein. Ich mochte nichts essen und legte einen Film ein, den ich längst hätte sehen wollen, der monatelang eingepackt in meinem Regal stand.

Die Musik berieselte meine Sinne. Plötzlich wollte ich etwas essen. Anfangs schlief ich fast ein. Dann war ich hellwach. Dieser Film. Er repräsentierte die Liebe zur Kunst. Zur Musik. Und ich fühlte jedes Wort, das sie sangen. Sie liessen mich meine Tastatur betrachten, sie regten mich zu Gedanken an, was diese Tasten bereits alles erlebten, für was sie bereits alles gedrückt wurden. Die Musik lief weiter. Ich hatte mich in sie verliebt. Hatte ihr mein Herz geöffnet, denn ich wusste, sie konnte mich nicht verletzen. Die Kunst war alles, was ein Künstler hatte. Lebenselixier, die grösste Liebe, die sie je erleben würden. Alles andere war nur die Realität. 

 

Kennt ihr den Effekt von Musik? Kennt ihr dieses Licht, das durch den ganzen Körper strahlt, als würde die Sonne gerade im Herzen aufgehen? Oder als würden tausend Sterne am Himmelszelt auftauchen und uns daran erinnern, wie klein und unwichtig wir sind. Aber im positiven Sinn. Denn so wirken auch unsere Probleme winzig. Man sprudelt mit den Melodien mit, fliesst ihnen nach, lässt sich in andere Welten hinfort tragen. A million dreams, der Song aus dem Musical „The Greatest Showman“ begleitet oft mein Schreiben. Und mit ihm werden meine Träume wahr, neue bilden sich und geben mir den Mut sie alle anzugehen. Ich gehe auf in den Zeilen und schwinge mit den Gliedmassen mit. Ich befreie mich, vom Alltag, von schlechten Gedanken, von Zweifel. Nein, ich bin frei in der Musik, mit der Musik. Das ist, was Musik kann. 

Ich könnte nun rational nachforschen, weshalb Musik diesen Effekt haben kann. Weshalb wir uns unser Leben lang gerne von Musik begleiten lassen. Irgendwo würde man bestimmt psychische Störungen bei Menschen finden, die Musik nicht mögen. Nein, nicht spezifische Musikstile, nein, es gibt Menschen, die grundsätzlich Musik nicht mögen. Ich kennen niemanden und könnte wahrscheinlich auch nicht gut mit ihnen umgehen. Ich würde stets nach der psychischen Störung suchen. Dem Fehler in der Matrix. (Hört mich lachen über dieses überspitzte Vorurteil) 

Kennt ihr das Phänomen, dass ihr ein neues Lied das erste Mal hört und es perfekt auf eure Lebenssituation abgestimmt ist? Als hätte der Musiker/ die Musikerin einen Blick in dein Herz geworfen. Bei mir schafft das Tori Kelly mit jedem neuen Lied. Es ist gespenstisch. Kam mein Ex mit seiner neuen Flamme zusammen, veröffentlichte sie „All in my head“. Dann war ich irgendwann glücklich als Single, doch sprach am Abend vor der nächsten Veröffentlichung („Dear No One“) mit einer Freundin darüber, dass ich zwar gerne unabhängig war, aber manchmal einfach jemanden an der Seite vermissen würde. Hätte ja nicht ahnen können, dass dieser jemand Tori Kelly war, die mich mit ihrer Stimme immer auffangen würde. Zwei Jahre später entschied ich mich dazu, mir als Autorin mehr Raum zu geben und sie sang mit mir „Where I Belong“. 

Aber nicht nur diese eine Sängerin, die tausende Kilometer von mir entfernt lebt, immer wieder finden die richtigen Songs, den richtigen Moment. Rascal Flatts inspirierte mein erstes Buch, Anthem Lights mein Drittes und Luana gab meinem Vierten sogar einen eigenen Soundtrack. Goapeles „Darker Side of The Moon“ fliesst seit ich 17 war durch meine Adern. 

Kennt ihr das, dass ihr in einem Streit, einer Trennung, bei einer Liebeserklärung, oder schlicht einer Erklärungsnot einfach nur ein Lied schicken müsstet, um euch zu erklären? Gelangt die Musik nicht dorthin, wo die Sprache zu versagen beginnt?

 

Die Realität war leichter auszublenden als die Fantasiewelten, die sich in einem regten. Liess man sie einmal aufleben, gingen sie nie wieder weg. Sie lebten in dir und wollten freigelassen werden. Nur mit ihnen war ich frei. Denn auch wenn man mich in den engsten Raum sperren würde, mit meinen Worten wäre ich trotzdem frei. Ich würde die Liebe trotzdem kennen, würde sie trotzdem leben. 

Er hatte ein Happy End. Jeder, der den Film verstand, würde das erkennen. Wir brauchten nicht die Realität, wir brauchten nur die Liebe zu unserer Kunst. Sie war und bleibt unser Happy End.      

                                                                       (Once, 2007, John Carney)